- Transistor: Die Grundlage der Hightech
- Transistor: Die Grundlage der HightechDie Elektronenröhre war in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur ein zentrales Bauelement der drahtlosen und leitungsgebundenen Nachrichtentechnik geworden. Wir verdanken ihr die Elektroakustik, sie half zunehmend in Mess-, Steuerungstechnik und Automatisierung und war unentbehrlich für die ersten elektronischen Rechenanlagen. Manche Parameter der Elektronenröhre jedoch traten mit komplexer und umfangreicher werdenden Geräten immer störender hervor und führten schließlich an Grenzen: erheblicher Energiebedarf und Wärmeentwicklung, nicht beliebig zu unterschreitendes Volumen, beschränkte Lebensdauer und Zuverlässigkeit, mechanische Empfindlichkeit und komplizierte Herstellungstechnologie. Schon frühzeitig begann man daher nach Bauelementen zu suchen, die der Elektronenröhre gleichwertig oder besser sein, die genannten Mängel aber nicht oder nur weit geringer aufweisen sollten. Halbleiterphysik und -technik führten zum Erfolg der Suche. Die Halbleiterdiode und vor allem der Transistor markieren den Beginn des Hightechzeitalters.Die Revolution der HalbleiterphysikNoch ehe 1911 die Bezeichnung Halbleiter geprägt wurde, nutzte man bestimmte Stoffe, deren elektrisches Verhalten sich grundlegend von dem der Leiter und der Nichtleiter unterschied, in Photowiderständen und Selenzellen, vor allem aber in dem für die Funktechnik als Empfänger wichtigen Kristalldetektor. Ihn nicht nur als Wellendetektor, sondern auch zur Signalverstärkung zu nutzen, versuchte man 1923/24, allerdings vergeblich. Fortschritte der Elektronenröhrentechnik ließen das Interesse an Halbleiterbauelementen vorübergehend in den Hintergrund treten. Auch waren die physikalischen Prozesse in Halbleitern noch weitgehend unklar, niemand wusste zum Beispiel, wie ein Kristalldetektor eigentlich funktionierte. Erst die Erkenntnisse der Quantenmechanik, seit 1925 auf die Festkörperphysik angewandt, führten zum Verständnis des Leitungsmechanismus in Halbleitern.Erste Anwendungen waren Kupfer(I)oxid- und Selengleichrichter. Um 1940 folgten Halbleiterspitzendioden für den Höchstfrequenzbereich, in dem Elektronenröhren stellenweise versagten. An ihrer Entwicklung war der durch wichtige theoretische Arbeiten auf dem Gebiet der Halbleiterphysik hervorgetretene Walter Schottky wesentlich beteiligt. Nach 1945 wurde in den Bell-Laboratorien in den USA eine Forschungsgruppe für verstärkende Halbleiterbauelemente ins Leben gerufen, der die Nobelpreisträger für Physik des Jahres 1956 John H. Bardeen, Walter H. Brattain und William B. Shockley angehörten. An Germaniumkristalloberflächen, denen in geringem Abstand Drahtspitzen aufsaßen, fanden sie heraus, dass schwankender Strom über die eine Spitze größere Stromschwankungen in einem Stromkreis über die zweite Drahtspitze auslöste. Damit war ein verstärkendes Halbleiterbauelement gefunden. Man nannte es Transistor. Ende 1947 verstärkte es erstmals ein Telefongespräch. Im Juli 1948 wurde ein transistorisierter Mittelwellenempfänger vorgeführt.Die Produktion größerer Stückzahlen des »Spitzentransistors« bereitete jedoch unüberwindliche Schwierigkeiten. Vor allem Shockley wandte sich daher dem aussichtsreicheren, 1948 patentierten Flächentransistor zu. Er beruht auf Prozessen an p-n-Übergängen in Halbleiter-Einkristallen. 1951 lief die Serienfertigung von Flächentransistoren an. Noch aber waren entscheidende Verbesserungen nötig, wenn Transistoren mit Elektronenröhren gleichziehen sollten. Man arbeitete die sich als überaus kompliziert erweisende Technologie aus, wechselte vom Germanium zum besser geeigneten Silicium über und entwickelte unterschiedliche Bauformen. Mit ihnen ließen sich neben anderen zwei Hauptforderungen der Anwender, höhere Leistung und Erweiterung des beherrschbaren Frequenzbereichs, erfüllen. Innerhalb weniger Jahre bauten technisch fortgeschrittene Länder spezielle Industrien auf, um den lawinenartig anwachsenden Bedarf an Transistoren, Dioden und anderen Halbleiterbauelementen zu decken. Schon 1963 holte die Weltproduktion von Transistoren mit 1 Milliarde Stück die der Elektronenröhren ein und gewann von da an einen immer größeren Vorsprung.Bekanntes wird besser, Neues wird möglichDer Anwendungsbereich der Transistoren war, wie nach Erfindung der Elektronenröhre, zunächst die Nachrichtentechnik. Es genügte jedoch nicht, das »alte« gegen das »neue« Bauelement zu tauschen. Um die Vorzüge des Transistors ausschöpfen zu können, musste man ihm die Schaltungskonzeptionen anpassen oder neue entwerfen. Das führte zugleich zu einer Fülle von Anwendungen, die mit Elektronenröhren kaum oder überhaupt nicht auszuführen waren.Kleine, leichte, robuste und Energie sparende Geräte der drahtlosen Nachrichtentechnik machten den Anfang. 1955 standen Rundfunkhörern Reiseempfänger für die üblichen Wellenbereiche zu Verfügung. Sie brachten keine 2,5 Kilogramm auf die Waage und wurden aus Batterien gespeist oder waren bereits für wahlweisen Batterie- oder Netzbetrieb ausgelegt. Taschenempfänger folgten, auch manche Kuriosität wie Empfänger im Brillenbügel, in Hüten oder Zigarettenetuis. Transistorbestückte Kraftfahrzeugempfänger erfüllten alte, bislang nie recht befriedigte Wünsche der Kraftfahrer. Heimgeräte profitierten vom geringen Energiebedarf und der geringen Wärmeentwicklung. Neue, Raum sparende Gehäuseformen waren die Folge. Man musste nicht mehr, wie bei Röhrenbetrieb, mit verstärkenden Bauelementen geizen. Längst angedachte, aber mit Elektronenröhren zu aufwendige Maßnahmen zur Komforterhöhung gehörten nun zur selbstverständlichen Ausstattung. Das galt auch für Fernsehgeräte, wobei allerdings nach wie vor der Raumbedarf durch die Bildröhre bestimmt wurde.Der Einsatzbereich von transistorisierten Kleinfunkgeräten erweiterte sich von Monat zu Monat. Er reichte von Handgeräten für mannigfachste Zwecke über Klein- und Notfunkanlagen in Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen bis zu Navigationshilfen und Funkbojen. Nicht zuletzt war der Transistor von Anfang an unentbehrlicher Helfer der Raumfahrttechnik. Schon »Sputnik 1« meldete sich über einen Transistorsender. In Fernsprechverstärkerämtern arbeiteten Tausende Elektronenröhren. Transistorisierung ließ den Platzbedarf der Verstärkereinrichtungen schrumpfen und vervielfachte ihre Zuverlässigkeit. Die in Fernkabeln oft alle paar Kilometer nötigen Zwischenverstärker waren jetzt in »Töpfen« unterzubringen und erhielten ihren Speisestrom mit über das Kabel. Besonders auf Seekabel wirkte sich das aus, hatte man doch zum Beispiel in das erste Transatlantikfernsprechkabel von 1956 noch an die 50 Verstärker mit von Land aus gespeisten Elektronenröhren eingespleißt. Beim schrittweisen Übergang zu elektronischer Vermittlungstechnik wurden Transistoren sogar in den Teilnehmerapparaten unverzichtbar.In Uhren tauchten Transistoren ab 1953 auf. Elektrische Signale von Messeinrichtungen oder für Steuergeräte und -einrichtungen konnten ohne großen Aufwand vor Ort gewonnen, verstärkt und übertragen werden. Das traf nicht nur für Forschung, Industrie und Verkehrswesen zu, sondern auch für die Medizin. Man denke an Hörhilfen, Herzschrittmacher und das breite Gerätespektrum in Krankenhäusern. Die Computertechnik wäre »erstickt«, hätte man sie weiterhin mit Tausenden Elektronenröhren ausführen müssen. 1955 arbeitete in den USA der erste ausschließlich mit Halbleiterbauelementen bestückte Computer. Für die nun folgende zweite Computergeneration waren Transistoren bestimmend. Die »Rechenfabriken« der Anfangszeit wurden ersetzt durch kleinere, aber leistungsfähige Computer für Betriebe, Institute und Büros. Zwar spielen gegenwärtig in den meisten der aufgeführten Anwendungen mikroelektronische Schaltkreise die bestimmende Rolle, jeder von ihnen aber enthält meist Tausende, Zehntausende und mehr Transistoren, so klein, dass sie für das bloße Auge nicht mehr zu erkennen sind.Walter Conrad
Universal-Lexikon. 2012.